Vor einiger Zeit habe ich mir die berühmte Erzählung The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde von Robert Louis Stevenson zugelegt, um u.a. zu erfahren, warum sie eine solche Faszination ausübt. Ein weiterer Grund war ein Vergleich zur “Fortsetzung” Jekyll, einer sechsteiligen Fernsehserie, die absolut grandios ist. Lobeshymnen auf die Serie findet der interessierte Leser bei tobi, mir und beety (milde Spoiler).
The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde by Robert Louis Stevenson
Der Text ist für einen Roman viel zu kurz (meine Ausgabe hat 54 Seiten) und besteht aus einigen Augenzeugenberichten und Briefen, die aus Sicht des Rechtsanwalts Utterson dem Leser präsentiert werden. Es passiert spektakulär wenig und erst wenn schon alles vorbei ist, erfahren wir den genauen Ablauf der Geschehnisse.
Natürlich ist es schwierig im Nachhinein zu urteilen, weil der Mythos Jekyll/Hyde zur Genüge bekannt ist und das Unfassbare und Schockierende nach 125 Jahren nicht mehr wirkt. Der Text ist nicht auf Spannung ausgelegt, sondern regt eher zum Nachdenken und Philosophieren an. Der Aufbau ist recht clever und wir erfahren, wie gesagt, nicht in chronologischer Reihenfolge die Geschichte, sondern eher bruchstückhaft und aus verschiedenen Sichtweisen.
Interessanterweise wurde eine Sache angesprochen, die mich schon länger verwunderte: Warum verkörpert Hyde die böse Seite, während Jeykll beides ist, d.h. gut und böse? Wie ist das möglich? Die Frage wird nicht beantwortet, aber immerhin wird sie gestellt.
Das englische Original war recht schwierig zu lesen, da sich die Sprache erstaunlich weiterentwickelt hat und Stevenson ein gewisses Talent für uneindeutige Satzkonstruktionen hat. Außerdem tauchen einige unbekannte Begriffe und Dinge auf, die es heute nicht mehr gibt. Aber da der Text nicht allzu lang ist, kann man sich dennoch daran wagen. Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, kann beim Projekt Gutenberg den Text runterladen oder bei Amazon[1] für gut einen Euro zugreifen[2]. Einen besonderen Kick gibt sicherlich die Hörbüchversion, bei der Saruman Christopher Lee vorliest [1].
Jekyll von Steven Moffat
Es handelt sich hier nicht um eine Verfilmung, sondern um eine Modernisierung der Geschichte. Hauptperson ist Dr Tom Jackman, der ein gefährliches Alter Ego entwickelt und langsam die Kontrolle über die Situation verliert. Auch hier wird nicht chronologisch vorgegangen und der Zuschauer wird mitten ins Geschehen geworfen, als gerade eine psychiatrische Krankenschwester das Parkett betritt. Nach und nach erfahren wir, was genau mit Jackman passiert, wie es seine Familie beeinflusst und was das alles für bedeutende Hintergründe hat.
In den sechs knapp einstündigen Folgen[3] wird die Geschichte immer wieder in ungeahnte Richtungen gelenkt und es passieren überraschende Wendungen, bis man schließlich an einem vorläufig befriedigenden, jedoch eigentlich offenen Ende anlangt.
Steven Moffat ist ohne Frage ein Genie und ich habe mich auch bei der vierten Sichtung der Serie vorzüglich amüsiert. Bisher sind mir keine groben Fehler oder unlogischen Verläufe aufgefallen, was natürlich die beste Empfehlung für einen wiederholten Genuss ist.
Und da läppische vier Pfund (plus Versand) beim momentanen Wechselkurs praktisch nichts sind, sollte man bei Amazon UK zuschlagen[1].
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Ein seltsamer Unterschied ist die Gestalt der bösen Verkörperung. Im Original ist Hyde klein und hässlich, geradezu abstoßend, während er in der Serie größer, attraktiver und selbstsicherer als sein Gegenpart ist. Die Art der Verwandlung ist unterschiedlich, was ich jedoch aus Spoilergründen für die Serie nicht weiter ausführen kann.
Gleich ist der Kampf von Jeykll/Jackman gegen den bösen Eindringling, der mehr und mehr die Oberhand gewinnt und dass die beiden Gegensätze (zunächst) nichts von den Aktionen des jeweils anderen wissen.
Einige Namen aus dem Original tauchen in der Serie wieder auf, wie z.B. der oben erwähnte Utterson, der Butler Poole und die Vornamen Henry und Edward der beiden Hauptpersonen in den Söhnen Harry und Eddie von Jackman.
Welche weiteren Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind Euch aufgefallen? Vorausgesetzt Ihr kennt die Erzählung (ansonsten: nur 54 Seiten!) und die Serie (ansonsten: Kaufen! Jetzt!)…
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- Die deutsche Version ist wie immer auf 50 Minuten beschnitten und es fehlen 40 Minuten von den ursprünglichen 340.